Psychologisches Institut
Burgring 9, 1010 Wien
(1922/23-1934)
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Marie Jahoda - Austromarxismus - Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle

psychologisches institut, heute palais epstein

Während ihres Studiums wurde Marie Jahoda von den Lehren des Psychologen und Philosophen Karl Bühler sowie dessen Ehefrau, der Entwicklungspsychologin Charlotte Bühler nachhaltig geprägt. Das Forscherehepaar stellte mit seinem psychologischen Institut eine „ideale Verbindung her zwischen wissenschaftlicher Forschung, universitärer Lehre und Volksschullehrerbildung (…) Die Aufgeschlossenheit gegenüber der Entwicklung einer empirisch fundierten, ‚positiven‘ Sozialwissenschaft war konstitutiv für die Philosophie des sogenannten ‚Austromarxismus‘.“ (Wacker 1998: 117) Jahodas Bestreben, lebensnahe Forschung in der realen Welt zu betreiben, lässt sich auch aus ihrer Orientierung an den Arbeitsschwerpunkten Charlotte Bühlers erklären: Es war ihr entwickeltes Lebenslaufkonzept, das Jahoda für ihre Dissertation als Bezugsrahmen der psychologischen Interpretation nutzte, um mit selbst erhobenem empirischen Material eigene Erkenntnisse zu gewinnen (vgl. Fleck/Müller 1998: 273). Jahodas Auffassung nach haben diese Arbeiten „den Vorteil gehabt, daß sie sich auf die Welt und das Leben, wie es wirklich gelebt wird, bezogen haben und nicht nur im Laboratorium steckengeblieben sind“ (Fleck/Jahoda 1987 zit. nach: Wacker 1998: 117).

 
  Psychologisches Institut (Burgring 9, heute Palais Epstein). Foto: Victoria Steineck, Fabian Kalleitner


Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle und Psychologisches Institut

Die enge Assoziation zwischen der Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle und dem Psychologischen Institut bestand über einen langen Zeitraum, zumal Karl Bühler zum Präsidenten der als Verein gegründeten Forschungseinrichtung ernannt und die Lehren der Bühlers in die Forschung theoretisch verankert wurden. Im Kontakt mit der empirisch ausgerichteten Psychologie der Bühlers entwickelte sich der Anspruch, „gesellschaftliche Probleme ohne Substanzverlust unter Anwendung der verschiedensten Erhebungstechniken – von der quantifizierenden Statistik bis zur qualitativen Beobachtung – zu studieren und zu begreifen“ (Kern 1982, zit. nach: Schnell et al. 2011: 28). Unter der Führung des Ehepaars Bühler wurde das Psychologische Institut ein „Zentrum der Psychologie, angewandt zur Lösung sozialer Probleme“ (Lazarsfeld in: Zeisel 1970, zit. nach Wacker 1998: 124), das die Denktradition in der Forschungsstelle nachhaltig prägte. Die Bühlers vermittelten darüber hinaus Kundinnen und Kunden sowie Kuratoriumsmitglieder, des Weiteren wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fast ausschließlich aus dem Bühler’schen Umfeld rekrutiert (vgl. Fleck 1990a: 163). Erst mit der Neugründung als „Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeiter der Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle“ wurde der Verein vom Psychologischen Institut losgelöst und damit zur ersten außeruniversitären, rein privatwirtschaftlich orientierten sozialwissenschaftlichen Forschungseinrichtung Österreichs (vgl. Müller 2006).

Literatur